Die Kalibrierung von Fahrerassistenzsystemen (FAS) ist entscheidend für eine ordnungsgemäße Funktion sicherheitsrelevanter Bauteile an Fahrzeugen, die mit entsprechender Sensortechnik ausgestattet und somit kalibrierpflichtig sind. Es ist zu beurteilen, inwieweit eine statische Kalibrierung außerhalb der eigenen Werkstätten, eine sogenannte „mobile Kalibrierung“, nicht nur technisch und fachlich korrekt durchgeführt werden kann, sondern gleichzeitig auch den entsprechenden Herstellervorgaben entspricht. Dynamische Kalibrierungen, die durch eine Kalibrierfahrt erfolgen, sind von dieser Betrachtung ausgenommen.
Technische Möglichkeiten mobiler Kalibrierung
Moderne Kalibriervorrichtungen ermöglichen einen flexiblen Einsatz an unterschiedlichen Standorten. Dies ist insbesondere für Werkstätten von Vorteil, die Kalibrierungen direkt in Kundenwerkstätten oder an externen Standorten, beispielsweise als Dienstleister oder Subunternehmer, durchführen. Dieser Ansatz wird häufig bei Lkw und Bussen verfolgt, da der Austausch der Windschutzscheibe häufig direkt beim Kunden erfolgt. Doch auch für Pkw und Transporter kommt eine mobile Kalibrierung in Betracht.
Anforderungen an eine fachgerechte mobile Kalibrierung
Um eine qualitativ einwandfreie und normgerechte Kalibrierung sicherzustellen, müssen wesentliche Parameter der Herstellervorgaben beachtet werden. Hierbei sind insbesondere die nachfolgenden Umgebungsbedingungen am Kalibrierstandort von zentraler Bedeutung:
- Bodenebenheit: Eine unzureichende Ebenheit kann dazu führen, dass die Kalibrierung formal als erfolgreich gewertet wird, obwohl sie tatsächlich nicht fachgerecht durchgeführt wurde. Dies kann durch eine fehlerhafte Nutzung der systemseitigen Toleranzen des Fahrzeugherstellers geschehen.
- Platzverhältnisse: Eine ausreichende Fläche zur korrekten Positionierung der Kalibriervorrichtung und des Fahrzeugs ist essenziell.
- Lichtverhältnisse: Die richtige Beleuchtung ist erforderlich, um Reflektionen oder Schattenbildungen zu vermeiden, die die Kalibriergenauigkeit beeinträchtigen könnten.
Weitere Voraussetzungen und Risiken
Voraussetzung zur Ausübung der Teiltätigkeit „Fahrzeugverglasung“ ist der Meistertitel in einem der Gewerke (Kfz-, Karosseriebauer oder Glaserhandwerk) bzw. die Ausnahmebewilligung gem. § 8 HWO sowie der Nachweis zu folgenden Fachschulungen: „Umgang mit Airbag und Gurtstraffern“, „Fachkunde Hochvolt 2S“ sowie „Sensortechnik und Kalibrierung FAS“.
Insofern ist am „mobilen Einsatzort“ eine vorab qualifizierte Fachkraft erforderlich, die den gesamten Arbeitsprozess bis zur Übergabe des Fahrzeugs an den Kunden vor Ort überwacht und begleitet.
Die gewerbliche Arbeitsleistung am Fahrzeug ist gem. Gewerbeordnung auf sämtlichen öffentlichen Flächen, wie auf Straßen, Gehwegen, Park- und anderen Plätzen nicht zulässig. Das Verglasen von Fahrzeugen mit anschließender Kalibrierung ist ein technisch komplexer Vorgang. Daher erfüllen auch Garagen und Flächen in reinen Wohngebieten zumeist nicht die Umgebungsparameter zur Ausübung einer Verglasungstätigkeit.
Zudem kann es auf fremden oder unbekannten Flächen zu Kontaminierungen aufgrund von Stäuben und Gasen kommen, die ein fachgerechtes Verglasen nicht zulassen. Generell ist davon auszugehen, dass im Rahmen von „mobilen Verglasungen“ Arbeiten anfallen können, die einen stationären Werkstattaufenthalt bzw. Fremdleistungen erfordern, insofern muss eine Werkstatt zur Verfügung stehen, die alle Voraussetzungen erfüllt.
Nach Durchführung der Arbeiten müssen die jeweils vorgeschriebenen Standzeiten des Fahrzeugs kontrolliert und nachweislich eingehalten werden können, insbesondere um erforderliche Schutzmaßnahmen zu gewährleisten und weitere Gefährdungen dauerhaft ausschließen zu können. Elektro- und Hybridfahrzeugen unterliegen dabei zusätzlichen Sicherheitsstandards.
Risiken einer fehlerhaften Kalibrierung
Ein kritischer Aspekt ist die Wechselwirkung verschiedener Faktoren, wie Achsgeometrie, Luftfahrwerk, Beladungszustand, Tankinhalt oder Reifenluftdruck. Werden diese Parameter nicht korrekt berücksichtigt, kann die Kalibrierung zwar technisch abgeschlossen werden, jedoch ohne die erforderliche Genauigkeit. Das kann dazu führen, dass Fahrerassistenzsysteme im Betrieb fehlerhafte oder verzögerte Reaktionen zeigen und somit das Unfallrisiko erhöhen.
Ein formell gültiges Kalibrierprotokoll ist daher nicht zwangsläufig ein Beleg für eine sachmangelfreie Leistung. Vielmehr ist eine umfassende Qualitätssicherung erforderlich, um sicherzustellen, dass die Kalibrierung den technischen Standards und Herstellervorgaben entspricht und eine Gefährdung von Personen sowie Sachbeschädigungen weitgehend ausgeschlossen werden können.
Fazit
Die Kalibrierung von Fahrerassistenzsystemen (FAS) außerhalb der eigenen Betriebsstätte ist technisch möglich und wird in bestimmten Anwendungsfällen, insbesondere bei Nutzfahrzeugen, bereits praktiziert. Allerdings müssen für eine fachgerechte und sachmangelfreie Durchführung alle relevanten Herstellervorgaben und umgebungsbezogenen Rahmenbedingungen, insbesondere Bodenebenheit, Platz-/Lichtverhältnisse, Unfallverhütungsvorschriften, Umweltschutz und Standzeiten strikt eingehalten werden. Während ungünstige Platz- und Lichtverhältnisse eine erfolgreiche Kalibrierung direkt verhindern, kann eine fehlerhafte Bodenebenheit dazu führen, dass das System trotz fehlerhafter Ausrichtung eine Kalibrierbestätigung liefert, die eine erfolgreiche Prüfung attestiert. Dies birgt das Risiko von Fehlfunktionen oder Leistungseinschränkungen der Fahrerassistenzsysteme im späteren Betrieb. Daher ist eine mobile Kalibrierung nur dann verantwortbar, wenn alle erforderlichen technischen und umgebungsbezogenen Voraussetzungen sichergestellt werden können.
Kompetenz lässt sich nicht wegdiskutieren – sie zeigt sich in Erfahrung, Qualität und Verantwortung.
Über den bv-Fachausschuss FAS / Fahrerassistenzsysteme und Sensortechnik im BVA e. V.
Seit 2012 befasst sich der Bundesverband Autoglaser e.V. (BVA) aufgrund der rasanten technischen Entwicklungen am Markt insbesondere mit der Thematik Fahrerassistenzsysteme. BVA-Mitglieder haben den "Fachausschuss Fahrerassistenzsysteme (FAS)" gegründet, der sich regelmäßig über Neuerungen auf diesem Gebiet sowie spezielle Lösungen der Diagnostik und Reparatur für Autoglaser austauscht. Der FAS-Ausschuss bietet BVA-Mitgliedern Unterstützung bei Fragen und Informationsbedarf rund um dieses Thema. Wenden Sie sich für alle Fragen zum Thema Fahrerassistenzsysteme direkt an den FAS-Ausschuss fasbundesverband-autoglaserde.